Liebe Festgäste!

Als ehemalige Schülerin, als Lehrerin und nunmehr als Direktorin stehe ich heute mit Stolz und Freude hier – fast genau auf den Tag 100 Jahre nach Beginn des Unterrichts für vier Unterstufenklassen an der damaligen Bundesmittelschule in Eisenstadt.

Die Geschichte und Entwicklung unserer Schule ist eng mit jener des Burgenlandes verknüpft. Das blühende Land von heute und unsere lebendige, vielfältige heutige Schule machen die anfänglichen rückständigen Verhältnisse beinahe unvorstellbar.

Durch die neue Grenzziehung nach der Gründung unseres Bundeslandes blieben 1921 die größeren Städte und damit auch die mittleren und höheren Schulen in Ungarn. Das evangelische Gymnasium und die evangelische Lehrerbildungsanstalt in Oberschützen waren die einzigen höheren Schulen im Burgenland. – Etwa 300 deutschsprachige Schüler/innen besuchten noch 1922 ungarische Mittelschulen.

In der Sitzung des Ministerrats vom 14. Mai 1922 wurde ein Teil der ehemaligen Militär-Oberrealschule in der Martinkaserne, wo auch der Burgenländische Landtag untergebracht war, notdürftig für Schulzwecke (Schule und Internat) bestimmt. Mit dem Schulaufbau wurde der Wiener Neustädter Professor Paul Iby, ein gebürtiger Ungar, betraut.

Eingerichtet wurden die vier Klassen der Unterstufe und das Internat mit Depotbeständen aus Wiener Schulen bzw. aus der Militäroberrealschule Hainburg und der Bundeserziehungsanstalt Wr. Neustadt, sodass der Unterricht erst im November beginnen konnte. Es gab keine Fachsäle und auch keinen Turnsaal. Es musste sogar im Speisesaal des Internats unterrichtet werden.

Am 4. November 1922 wurden die Aufnahmsprüfungen für die 1. Klasse durchgeführt. Allgemeiner Unterrichtsbeginn in der Mittelschule für 103 Buben und 22 Mädchen war der 6. November 1922.

Die Herbergssuche der seit 1925 als Bundesreal- und Oberstufengymnasium benannten Schule war mit dieser ersten Station in der Martinkaserne noch nicht abgeschlossen, zwei weitere sollten folgen – nämlich die Übersiedlung ins Theresianum in Eisenstadt Oberberg während des 2. Weltkrieges von 1938–1944 als sog. Oberschule der Jungen und 1945-1952 dann mit 10 Klassen die Übersiedlung in die damalige Eisenstädter Hauptschule. (Von 1944 – 1945 musste der Schulbetrieb kriegsbedingt sogar eingestellt werden.)

Der Glaube an die Schule und die Überzeugung von der Notwendigkeit einer qualitativ hochstehenden Ausbildungsstätte im nördlichen Burgenland führten dazu, dass Schule, Elternschaft und Landespolitiker danach trachteten, ein eigenes Gebäude zu errichten.

Es hatte schon 1937 den Plan von Architekt Rudolf Perthen für eine moderne Schule mit Direktorenwohnung, einem Festsaal, ja sogar einem Schwimmbad gegeben. Ausgelegt war sie auf 300 Schüler und ca. 130 Konviktsschüler gewesen.

Der Zweite Weltkrieg hatte die Planungen unterbrochen und erst 1953 konnte das neue Bundesrealgymnasium eröffnet werden. – Damals war unser Schulgebäude die modernste Schule Österreichs und der Stolz des Burgenlandes. Der großzügige Bau (heute der Mitteltrakt) war für 12 Klassen erbaut worden, verfügte über alle nötigen Spezialsäle und die modernste Ausstattung der damaligen Zeit. Es gab eine Dienstwohnung für den Schulwart, ein Mädchenkonvikt und angrenzend an das Schulgebäude ein Bubenkonvikt sowie ein Lehrerwohnheim mit Garten und zusätzlich großzügige Sportanlagen. Scharen von Experten aus dem ganzen Bundesgebiet kamen, um die Schule zu besichtigen. Schon damals verfügte die Schule über ein großes Einzugsgebiet, das sich übers ganze Burgenland erstreckte. – Aufgrund der anfallenden Kosten für Unterbringung und Schulmaterial blieb der Schulbesuch jedoch vor allem Kindern vor aus wohlhabendem Elternhaus zugänglich.

Als Folge der Bildungsexplosion der 1970-er Jahre mit ihren steigenden Schülerzahlen entstand der Bedarf der Erweiterung des Schulgebäudes Richtung Osten unter Direktor Jurasowitsch in den 1980-er Jahren. – Es wurden neue Klassen und ein neuer Chemie- sowie Biologiesaal eingerichtet, zwei EDV-Säle und eine zentrale Schulbibliothek. Letzteren Räumen musste dann die Schulwartwohnung weichen.

Fehlende Fachsäle, Garderobenräume und der Bedarf einer Schulküche – wegen des seit den 1980-er Jahren angebotenen Tagesheims (Die Tagesheimkinder mussten in den erste Jahren im Bundeskonvikt ihr Mittagessen einnehmen.) führten in den 1990-er Jahren zu einem weiteren Zubau Richtung Süden unter Direktor Mühlgassner mit neuen Klassen, neuen Werksälen und neuen Garderoben.

Das Problem des Platzmangels holte die Schule seit dem Beginn ihres Bestehens immer wieder ein, indem das ausgezeichnete Bildungsangebot und der gute Ruf Schüler/innen aus einem großen Einzugsgebiet anzog. Wanderklassen gab es erstmals in den 1970-er Jahren, wobei bei über 1000 Schüler/innen auch Räume des Bundeskonvikts benützt werden mussten und das Mädchenkonvikt aus dem Schulgebäude ins Bubenkonvikt verlegt werden musste.

Das Phänomen der Wanderklassen wiederholte sich durch die vielen neuen Bildungsangebote in den 2000-er Jahren und besteht trotz des Zu- und Umbaus bis heute.

In den 2000-er Jahren musste Direktor Feymann zuerst zwei, dann insgesamt 6 Containerklassen an der Südseite der Schule aufstellen lassen. Mit dem Stand von 50 Klassen bemühte er sich bei den zuständigen Stellen in Land und Bund um den Zubau, was 2007 in einem Lokalaugenschein durch die damalige Bundesministerin Claudia Schmied gipfelte.

Die Planungsphase begann dann während meiner Schulleitung im Jahr 2010, infolge von Verzögerungen war Baubeginn jedoch erst 2014. Die Bauphase mit vier Umzügen innerhalb des Gebäudes, Containerklassen und einem einjährigen Ausweichquartier im alten WIFI dauerte bis 2018. Die Herausforderung bei der sog. Sanierung und Erweiterung der Schule bestand vor allem darin, unser vielfältiges Bildungsangebot im Schulgebäude durch die entsprechende räumliche Ausstattung abzubilden und auch zeitgemäße Arbeitsplätze für die 120 Lehrer/innen zu schaffen. Eine moderne technische Ausstattung und die Erhaltung der Sportflächen waren weitere wichtige Ziele. Und ich darf an dieser Stelle mit Stolz sagen, dass dies auch gelungen ist.

Wenn ehemalige Schüler/innen ihre alte Schule zu Maturajubiläen besichtigen kommen, versuchen sie ihre alten Klassen zu verorten, was trotz neuer Raumanordnungen im Mittel- und Osttrakt gelingt, und freuen sich über Spuren aus der alten Zeit – z. B. über den alten, unverwüstlichen Boden in den Pausenhallen des Mitteltraktes oder die Relikte der alten Trinkbrunnen, die bewusst stehen gelassen wurden.

Mit dem neuen, hellen, freundlichen und großzügigen Schulgebäude, das an manchen Stellen eher an einen Hochschul-Campus denken lässt als an ein Gymnasium, sind auch die letzten Spuren der herablassenden pädagogischen Devise „Wo gehobelt wird, fallen Späne“ einer modernen Haltung von Lehrer/innen gewichen, die ihren Schüler/innen auf Augenhöhe begegnen.

Mitunter wird ja die schulische Architektur auch als dritter Pädagoge – wie es so schön heißt – bezeichnet. Mit Sicherheit prägt sie mit ihren Rahmenbedingungen die schulische Atmosphäre.

Lange vorbei sind die Zeiten der sogenannten grünen Garderobenkäfige im Untergeschoß, die Zeiten des Schulwarts als Laufburschen für Informationen an die Klassen oder die Zeiten des obligaten Im-Kreis-Gehens in den Pausenhallen. In der großen Pause mussten nämlich noch in den 1970-er Jahren alle Schüler/innen die Klassen verlassen. – Nicht nur einmal wurden Schüler/innen von Gangdiensten in Unterrichtsräumen aufgespürt…

Seit der Eröffnung der neuen Schule im Jahr 2018 sind wir wieder gewachsen und sind inzwischen bei 1375 Schüler/innen angelangt mit 54 Klassen und fünf Wanderklassen. Letzteres ist aufgrund der vielen Sonderunterrichtsräume – 3 Zeichensäle, 3 Werksäle, 3 EDV-Säle, 2 PH-Säle, 2 BIUK-Säle, 1 NAWI-Saal, 3 Musiksäle und einer Dreifachturnhalle leicht zu bewerkstelligen. Nichtsdestotrotz sind wir wieder an einem räumlichen Limit angelangt.

Somit mussten wir bedauerlicherweise akkurat im 100sten Jahr der Schule erstmals geeignete Aufnahmewerber/innen nach schulautonomen Reihungskriterien abweisen, nämlich 44 Erstklassler.

Die Veränderungen von 1922 bis 2022 in Zahlen – betreffend Einzugsgebiet, Schülerzahl, Klassenzahl, Schülerzahl pro Klasse, Verhältnis Mädchen-Burschen an der Schule lassen sich aus den Darstellungen auf den Rollups im Foyer vor dem Festsaal gut ablesen.

Nicht unerwähnt sollen in diesem Zusammenhang die dunklen Zeiten der Schule während der Herrschaft der Nationalsozialisten bleiben, wo alle jüdischen Kinder die Schule verlassen mussten. Das sog. „Wandernde Mahnmal“ im Foyer des Festsaals erinnert an die 13 Kinder und auch an den Widerstandskämpfer Johann Trettler aus Neckenmarkt, der bis zur 6. Klasse bei uns Schüler war. Seine Nachfahren sitzen heute im Publikum.

Der Lehrer/innenmangel in der Anfangszeit der Schule, wo z. B. Physik nicht unterrichtet werden konnte, der Lehrermangel während des Zweiten Weltkriegs und danach sowie in den 1970er Jahren infolge der Bildungsexplosion macht sich heute wieder vielerorts bemerkbar. An unserer Schule ist der Mangel nur bedingt spürbar. – Infolge der dynamischen Schulentwicklung seit den 2000er Jahren wurden viele neue Lehrer/innen eingestellt, sodass wir vergleichsweise über einen sehr jungen Lehrkörper verfügen, der zu ca. 2/3 aus Frauen besteht. Ungefähr ein Drittel davon arbeitet Teilzeit. Überdies gibt es Mitverwendungen in der Bildungsdirektion, an der Pädagogischen Hochschule und im angrenzenden Bundeschülerheim, mit welchem naturgemäß seit den Gründungstagen vielerlei Kooperationen bestehen.

Viele engagierte Lehrerinnen und Lehrer haben an dieser Schule gewirkt und wirken an dieser Schule. Sie alle haben den guten Ruf der Schule begründet und tragen ihn weiter.

Unsere Schule zeigte über die Jahrzehnte bei pädagogischen Entwicklungen Pioniergeist und erwarb sich damit den Ruf einer innovativen Bildungsstätte. Damit einher ging in der Regel auch eine gute Ausstattung. So beteiligte sich die Schule seit den 1970-er Jahren bis weit in die 1980-er Jahre mit dem Schulversuch Modell I an der Entwicklung der neuen Oberstufe mit vorgezogener Reifeprüfung und einer Fülle von Wahlpflichtstunden, in deren Genuss auch ich gekommen bin.

Schulen müssen ihre Arbeit und ihr Bildungsangebot laufend auf Qualität überprüfen und den Bedürfnissen der Zeit anpassen. Schulen müssen auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, ohne ihre Identität zu verlieren. Sie stehen im öffentlichen Raum, werden beobachtet und bewertet, stellen sich auch selbst der Evaluation. Sie müssen sich mit ihrem Angebot mit anderen messen.

Schulen müssen aber auch ein Ort der Herzensbildung sein, wo Menschen einander auf Augenhöhe begegnen und Tag für Tag die Schulpartnerschaft leben. Dazu gehören die Lehrer/innen die Schüler/innen, die Eltern (Den Elternverein gibt es übrigens bereits seit 1946 an der Schule.), aber auch das Hauspersonal sowie die zuständigen Behörden und Projektpartner.

Jede Schule hat ihre eigene Note, ihr ein eigenes Profil, das sich aus Traditionen, den gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen sowie den jeweils handelnden Personen ergibt. Somit sind Schulen in gewisser Weise auch eine Welt für sich. – In unserem Fall eine Welt im oberen Schnitt der Größe burgenländischer Dörfer.

Das BG/BRG/BORG Eisenstadt bietet seinen Schüler/innen als allgemeinbildende höhere Schule ein äußerst breites Bildungsangebot, das österreichweit Seinesgleichen sucht – mit einer Kroatisch-, Musik- und Sportklasse sowie eigenverantwortlichem Arbeiten und sechs Fremdsprachen schon in der Unterstufe, zwei weiteren Fremdsprachen in der Oberstufe, einem sprachlichen, musikalischen und künstlerischen, naturwissenschaftlichen und sportlichen Schwerpunkt in der Oberstufe. Vieles davon ist schulautonom geregelt, auch die Stundentafeln, der naturwissenschaftliche Schwerpunkt mit Schularbeiten sowie der sportliche Schwerpunkt mit Spezialportarten sind Schulversuche, wobei die Basisstundentafel schulautonom in allen Oberstufenformen identisch ist. Jeweils zwölf Stunden bilden dazu den jeweiligen Schwerpunkt. – Dabei bleibt stets die Allgemeinbildung und die Reifeprüfung im Focus.

An einem Tag wie heute sind wir als gesamte Schulgemeinschaft, bestehend aus Absolvent/innen, früheren und jetzigen Lehrer/innen, Direktor/innen, Eltern und Hauspersonal dazu angehalten, uns bewusst zu machen, an welchem traditionsreichen Haus wir uns befinden. Einem Haus, das jeden Schüler/jede Schülerin als Individuum sieht und ihn/sie ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellt. – Dazu gehört für uns auch das psycho-soziale Wohlbefinden.

Seit den 1950-er Jahren ist unsere Schule auch Sitz der Prüfungskommission für Externistenprüfungen. – Eine große Zahl an Erwachsenen hat abgesehen von Beamtenaufstiegsprüfungen mittlerweile die Reifeprüfung an unserer Schule nachgeholt, mitunter auch Schüler/innen mit alternativen Ausbildungswegen.

Generationen junger Menschen aus der näheren und weiteren Umgebung absolvierten ihre Ausbildung am Gymnasium Kurzwiese. In den vergangenen 100 Jahren haben rund 18.000 Schüler/innen die Schule besucht, bald werden 5000 Schüler/innen hier ihre Matura hier abgelegt haben. – Die Behaltequote von der Unter- zur Oberstufe konnte durch das attraktivere Angebot ab der 5. Klasse bereits in den 2000-er Jahren auf 50-60% erhöht werden – im Vergleich zu den 1990-er Jahren mit ca. 30%. Eine starke Oberstufe ist ein wichtiges bildungspolitisches Ziel, weil wir vom Wert der Allgemeinbildung ganz und gar überzeugt sind.

Viele Absolvent/innen schickten im Laufe der Jahrzehnte auch ihre Kinder wieder ins Gymnasium Kurzwiese, sodass ganze Familiengenerationen unsere Schule besucht haben und besuchen. Zwei Mädchen unserer Schule möchte ich erwähnen – Bader Sophie aus der Klasse 7Cinst, die heute bei der Feier im Chor singt, und Laura Minarik aus der Klasse 8A, da ihre Urgroßväter zu den ersten Maturanten dieser Schule im Jahr 1927 gehörten.

Viele Lehrer/innen der letzten 100 Jahre unserer Schule haben selbst hier maturiert und auch unter den letzten sechs Direktoren haben inklusive mir vier ihre Reifeprüfung im Gymnasium Kurzwiese abgelegt.

Unter den Ehrengästen und honorigen Personen der heutigen Feier befinden sich ebenfalls viele Absolvent/innen, sodass heute hier eine große Schulfamilie zusammengekommen ist.

Unsere Schule blickt mit Stolz auf eine Vielzahl sehr erfolgreicher Absolvent/innen, die hier den Grundstein für ihre berufliche Karriere gelegt haben, zumal unser Gymnasium über Jahrzehnte im nördlichen Burgenland die einzige höhere Schule war. Darunter befinden sich Universitätsprofessoren, Primarärzte, hochrangige Beamte und Politiker, Direktor/innen höherer Schulen, bekannte Künstler/innen und Persönlichkeiten der österreichischen Medienlandschaft sowie erfolgreiche Unternehmer – teilweise weit über die Grenzen des Landes hinaus.– Siehe das Kaleidoskop von bis jetzt 70 Absolvent/innen auf unserer Homepage – mit Fotos, Erinnerungen an die Schulzeit und einem Lebenslauf.

Wir müssen uns der Verantwortung bewusst sein, ein qualitativ hochstehendes Erbe weiterzutragen, für das unsere Vorgängerinnen und Vorgänger schon mit großem Einsatz gewirkt haben.

Möge das Gymnasium Eisenstadt Kurzwiese weiterhin einen so erfolgreichen Weg beschreiten!

Direktorin Mag. Karin Rojacz-Pichler